Konflikterkennung & -lösung in Echtzeit
Die Ausgangslage
In großen Höhen bewegen sich Flugzeuge in erster Linie horizontal, fliegen mit konstanter Geschwindigkeit geradeaus, und begeben sich nur gelegentlich in den Steig- oder Sinkflug; in Sachen computer-gestützte Berechnung stellt dies keine besondere Herausforderung dar. Im kontrollierten unteren Luftraum verläuft Luftverkehr überwiegend vertikal. Die meisten Flugzeuge steigen entweder, um ihre Reiseflughöhe zu erreichen, oder sinken, wenn sie sich ihrem Zielflughafen nähern. Fluglotsen geben die notwendigen Freigaben für Steig- oder Sinkflüge und stellen sicher, dass die Flugzeuge konfliktfrei von ihrer derzeitigen Flughöhe zur Zielflughöhe gelangen. Dies ist eine beachtliche kognitive Leistung, neigt der Mensch doch in erster Linie dazu, in zwei Dimensionen zu denken.
Die Software
Die Forschungsabteilung der DFS Deutsche Flugsicherung beauftragte die GLVI 2011, Komponenten zur Konflikterkennung und -lösung für ihren Forschungsprototypen CATO Controller Assistance Tools zu entwickeln. Die Tools unterstützen die Fluglotsen auf zwei Arten: Sie informieren die Fluglotsen über aktuell bestehende Konflikte und sie führen kontinuierlich umfangreiche Freigabe-Simulationen durch.
Die erste Funktion ist für den Fluglotsen wie ein zweites Paar Augen. Die kognitive Arbeitsbelastung von Lotsen in dichten Verkehrssituationen kann sehr anspruchsvoll sein. Die Software soll sicherstellen, dass kein Konflikt der Aufmerksamkeit des Lotsen entgeht.
Die zweite Funktion ist etwas weniger offensichtlich. Eine Freigabe-Simulation befasst sich mit Fragen der Art „Wie würde sich die Luftlage voraussichtlich entwickeln, wenn Flugzeug A auf Höhe H freigegeben würde? Wäre die daraus entstehende Luftlage frei von Konflikten?“ Die Software führt diese Simulationen umfassend durch: Für jedes zu betrachtende Luftfahrzeug, für jede freigebbare Flugfläche, für jede freigebbare Steigrate, für jeden freigebbaren Kurs, für jeden freigebbaren Wegpunkt, wie würde sich die Luftlage entwickeln, wenn dies die erteilte Freigabe für dieses Flugzeug wäre? Würde sich die Luftlage konfliktfrei entwickeln? Wie ein Schachcomputer ermittelt die Software die Konsequenzen der möglichen nächsten Schritte. Informationen, die auf diese Weise gewonnen werden, werden den Fluglotsen dann bei Bedarf dargestellt.
Wann immer ein Menü für eine zu erteilende Freigabe geöffnet wird, werden alle verfügbaren Optionen auf dem Bildschirm farbkodiert angezeigt. Für jede Option gibt es einen Hinweis darauf, ob eine Freigabe frei von Konflikten wäre, ob sie einen Konflikt erzeugen oder ob sie zusätzliche Einschränkungen benötigen würde, um frei von Konflikten zu bleiben. Die Darstellung dieser Information in einer angemessenen Weise vermittelt dem Fluglotsen ein zusätzliches Situationsbewusstsein. Normalerweise schauen sie auf einen platten Bildschirm und beobachten den Luftverkehr aus der Vogelperspektive. Die Darstellung aller verfügbaren Flugflächen in vertikaler Form oder die zur Verfügung stehenden Kurse in Form eines Tortendiagramms – alle farbkodiert, um Konflikte oder zusätzliche Einschränkungen anzuzeigen – vermittelt eine Ich-Perspektive, d.h. der Fluglotse sieht die Situation aus der Perspektive der Flugzeuge, denen eine Freigabe erteilt werden soll.
Die Software ist inzwischen mehrfach validiert und wurde als praktikabel für eine deutlich höhere Zahl an Luftverkehr gegenüber heute eingestuft bei gleichbleibender bzw. steigender Sicherheit. Die Software befindet sich derzeit in der Inbetriebnahme bei der DFS Deutsche Flugsicherung.